Sa 17.4. / 18 Uhr / GRASSI
Eintritt: 5,50 / 4,50 €

mit einem einführenden Vortrag von Dr. Claus Deimel, Direktor Staatliche Ethnographische Sammlungen Sachsen

IN THE LAND OF THE WAR CANOES
Originaltitel: In the Land of the Headhunters: A Drama of Primitive Life on the Shores
of the North Pacific

USA/Kanada 1914

Regie / Buch: Edward S. Curtis
Kamera: Edmund August Schwinke
Restaurierung: Bill Holm, George Quimby, David Gerth (1972)
Darsteller: Stanley Hunt, Margaret Wilson, Sarah (Abaya) Smith Martin, Mrs. George Walkus, Bulóotsa, Paddy Maleed, Kwa’kwaano oder Haéytlulas / Kwiakutl-Indianer (Kwakwaka’wakw)
Musik: Original Kwakiutl (Aufnahme für die restaurierte Fassung 1972)
Produktion: Seattle Film Company
Premiere: 7.12.1914 (New York, Casino Theater)
Schwarzweiß
stumm / englische Zwischentitel
Laufzeit: 43 min

Der legendäre Indianerphotograph Edward S. Curtis durchstreifte um die Jahrhundertwende 30 Jahre lang den nordamerikanischen Kontinent, von der mexikanischen Grenze bis nach Alaska, und dokumentierte mit Foto- und Filmkamera das Leben zahlreicher vom Untergang bedrohter indianischer Kulturen. Sein zwischen 1907 und 1930 veröffentlichtes 20bändiges Monumentalwerk ist bis heute die bedeutendste Text- und Bilddokumentation über die alten Kulturen der nordamerikanischen Indianer.
In the land of the War Canoes ist eines der frühesten, bis heute erhaltenen Filmdokumente über die indianischen Kulturen Nordamerikas und das einzige aus Curtis’ Werk.
Aus dem Jahre 1914 ist dieser, sein erster Film, in dem der Stammesname zwar nicht genannt wird, doch gedreht wurde bei den Kwakwaka’wakw (Kwakiutl) auf der westkanadischen Insel Vancouver Island, in Alert Bay. Schon von Anbeginn war der Film nicht als wissenschaftliche Dokumentation gedacht, sondern es sollte eine Art Unterhaltungsfilm entstehen, denn Curtis benötigte Geld, um seine Arbeit fortführen zu können. (1) Für eine fiktive Fassung sprach zudem, dass es zwischen 1884 und 1951 in Kanada verboten und strafbar war, rituelle Feiern wie das Potlach, zu begehen und in der Öffentlichkeit zu zeigen. Also entwarf Curtis – unverzichtbar war dabei vor allem George Hunt, der, selbst Kwakiutl, zu diesem Zeitpunkt schon für viele Ethnographen als Führer, Objekt- und Textsammler tätig war – eine dramatische Handlung, eine Rachegeschichte zwischen zwei Stämmen, in deren Zentrum ein Frauenraub steht.
Der häufige Vorwurf der Stereotype und einer Inszenierung des „edlen Wilden“ an Curtis kann hier durch die enormen Anstrengungen des Unternehmens wenn nicht ausgeräumt, so doch gemildert werden, durch das Engagement nicht zuletzt der Kwakwaka'wakw selbst, die sich in das Abenteuer stürzten, einen Film zu machen. Die Produktion war für die Indianer nicht zuletzt eine Möglichkeit, ihre Kultur – manifest im Bild der Kostüme, der Objekte und Rituale – lebendig zu halten. Der Strafverfolgung entgingen sie dabei durch die Tatsache, dass die Filmabbildung nicht als Ritual galt, die moderne Technik, das moderne Medium dominierte in der Wahrnehmung der Obrigkeit. Für Curtis ergab sich auf diese Weise die Chance, mit seinem Film ein wenigstens semi-dokumentarisches Bild des Alltagslebens zweier Indianerstämme zu zeichnen.
Der hier vorliegende und inzwischen möglichst nah an der Fassung der Erstaufführung restaurierte und von Angehörigen der Kwakwaka'wakw kommentierte und mit Musik versehene Film wurde erstmals am 5. Juni 2008 am Getty Research Center in Los Angeles wieder aufgeführt. Seit 1999 gehört er offiziell zu den bedeutsamsten Filmen der amerikanischen Filmgeschichte, denn er wurde ins National Film Registry aufgenommen.
Ein Link für Cineasten: In Jim Jarmuschs DEAD MAN startet William Blake seine letzte Reise ausgehend von einem Kwakiutl-Dorf.

(1) 1913 war sein Hauptfinanzier J.P. Morgan verstorben. Einmal umgesetzt, sollte dem Film-Unternehmen kein finanzieller Erfolg beschieden sein. Er lief so schlecht, dass Curtis die Rechte daran 1923 für 1500 Dollar an das Museum of Natural History verkaufte. Dieses wiederum konnte die Kopie nie auffinden, der Film war verschollen. 1947 bot ein Filmsammler aus Chicago dem Fields Museum eine Kopie an, die er in einer Abfallsammlung gefunden hatte. Zwanzig Jahre später, 1967, begannen der Kunsthistoriker Bill Holm und George Quimby, ein Anthropologe vom Burke Museum in Seattle, die Teile zu restaurieren. 1974 konnte das Resultat erstmals unter dem neuen Titel In the Land of the War Canoes aufgeführt werden.
Quelle: Milestone Films