Di 27.4. / 20 Uhr / UT Connewitz

UNDERWORLD
Alternativtitel: Paying the Penalty (GB) / Les nuits de Chicago (F)
Musikalische Begleitung: 3x2 = ?

USA 1927

Regie: Josef von Sternberg
Drehbuch: Charles Furthman, Robert N. Lee, Howard Hawks (nach einer Erzählung von Ben Hecht)
Kamera: Bert Glennon
Schnitt: E. Lloyd Sheldon
Darsteller: George Bancroft, Evelyn Brent, Clive Brook
Produktion: Paramount Pictures (Hector Turnbull)
Premiere: 20.8.1927 (USA)
1928 (Deutschland)
Schwarzweiß
Zwischentitel Englisch
Laufzeit: 89 min

Eintritt: 10,- / 8,- €

Gangsterboss Bull Weed nimmt sich des Trinkers Rolls Royce an, der sich für diese Freundlichkeit revanchiert, indem er den Alkohol aufgibt und zu einem loyalen Gefolgsmann Weeds wird. Royce steigt zur rechten Hand des Bosses auf. Als sich dessen Gangsterbraut Feathers in den smarten Royce verliebt, droht das explosive Gemisch aus Liebe, Loyalität und Gewalt zu explodieren...
„Da es sich nicht nur um Hollywoods ersten Gangsterfilm handelt, sondern um ein Werk Josef von Sternbergs, bietet sich UNDERWORLD als Fiktion kinogewordener Mythen und als eine Revue betörender Oberflächenreize dar. Eine Gangsterbraut, die „Feathers“ heißt und lasziv in einem Flor schimmernder, schwereloser Federn durchs Bild zu gleiten pflegt. George Bancroft am Morgen nach dem Ball, mächtig und tumb wie der Bulle, dem er als big boss ‚Bull’ Weed seinen Spitznamen verdankt, durch einen Wald aus Papierschlangen und einen See aus Konfetti torkelnd. Ben Hecht, auf dessen ‚authentischer Story’ der Film beruht, zeigte sich über diesen, gelinde gesagt, verwirrt. Ein Bildgedicht (wie Sternberg es nennt), orchestriert aus Mimik, Montage, rituell langsamem Einstellungswechsel und fließendem Licht. Um das Publikum zu besänftigen, habe er dabei auch die moosbedeckten Themen von Liebe und Aufopferung nicht verschmäht’.“ (1)
Regisseur von Sternberg, heute vor allem als genialischer Schöpfer des Mythos Marlene Dietrich bekannt, feierte mit UNDERWORLD, der als erster Gangsterfilm modernen Zuschnitts gilt und der stilprägend war, seinen ersten Erfolg. Erstmals tritt mit Bull Weed ein Gangster als Protagonist auf, überdies einer, der nicht nur gefährlich und brutal ist, sonder immer wieder die Sympathien des Publikums gewinnt. Hauptdarsteller George Bancroft wurde in der Rolle zum Star und zur ersten Ikone des Genres – eine Rolle, die er unter der Regie von Sternbergs noch mehrfach wiederholt (z.B. Thunderbolt). Mit Clive Brook stand von Sternberg außerdem ein exzellenter zweiter Hauptdarsteller zu Verfügung. Er spielt den zunächst auf den Hund gekommenen Rolls Royce mit großer Eleganz, Geschmeidigkeit und Subtilität. (2)
An die Entstehung des Films erinnert sich von Sternberg in seiner Autobiografie „Blau des Engels“: „Man gab mir ein paar Seiten eines Manuskripts von Ben Hecht, von ihm ein erster Versuch, seine Verachtung für das ‚Kino’ zum Ausdruck zu bringen. Die Geschichte hatte einen guten Titel und handelte von den Eskapaden eines Gangsters. Es war Neuland, denn über diese ergiebige Seite unserer Kultur hatte man noch keinen Film gedreht. Ich hielt Hecht für einen fähigen Autor […], aber er hielt mich nicht für einen fähigen Regisseur. Als er erfuhr, dass ich sein Manuskript verfilmen sollte, tat er mich mit der Bemerkung ab: ’Es gibt Tausende wie ihn, die auf der Avenue A Schach spielen.’ Das geplante Experiment versetzte Groß und Klein in Alarm. Ich durfte wieder hinter einer Kamera stehen und hatte keine Ahnung vom Verhalten von Gangstern – und jeder andere in Hollywood schien ein Experte zu sein. Ich bekam die Frau eines Studiogewaltigen als Hauptdarstellerin und einige andere unbedeutende Schauspieler. Man wollte auf keinen Fall eine wichtige Persönlichkeit in dieses Abenteuer verwickeln […] Ich hatte den Film in vier Wochen fertig. Daraufhin schickte man eine Kopie an die Hauptverwaltung. Als erstes meldete sich der Autor der ursprünglichen Idee, Mr. Hecht, zu Wort. Er telegrafierte: ‚Ihr armseligen Amateure, lasst meinen Namen aus dem Spiel!’ […] Der Vertrieb war einstimmig der Meinung, der Film sei unverkäuflich und müsse auf Eis gelegt werden […] Der Film wurde nicht auf Eis gelegt, denn dazu war er zu wertvoll. Man ließ ihn ohne Werbung, ohne Vorankündigung im größten Kino von New York laufen. Ohne die Unterstützung der Werbetrommeln […] lief mein Film um zehn Uhr vormittags, denn man wollte die Presse umgehen. Kein Kritiker ist so früh auf den Beinen, geschweige denn in einem Kino. Niemand weiß, warum und wieso, aber drei Stunden später belagerte eine riesige Menschenmenge den Times Square. Alle wollten ins Kino. Die Menge wurde im Verlauf des Tages nicht kleiner und zwang den Kinobesitzer zu einer Nachtvorstellung nach der anderen. Daran änderte sich während der langen Laufzeit nichts. Und so begann die Ära der Gangsterfilme und der Kinos, die rund um die Uhr geöffnet waren […]. (3)
Cineasten-Link: Trotz seiner Abneigung gegen den Film hielt den Autor Hecht nichts davon ab, im Jahr 1928 den Oscar für die beste Drehbuchvorlage entgegenzunehmen – für UNDERWORLD!
1 Zitat/Quelle: Filmmuseum Austria
2 Am bekanntesten ist Clive Brook heute für seine Rolle in von Sternbergs Shanghai Express, in dem er Marlene Dietrichs verflossenen Liebhaber spielt.
3 Sternberg, Josef von: Blau des Engels, 1991, 247 ff