Sa 17.4. / 20 Uhr / naTo
Eintritt: 5,50 / 4,50 €

ZUM VERGLEICH
Alternativtitel: By Comparision / Comparaison

Deutschland/Österreich 2009

Regie: Harun Farocki
Buch: Harun Farocki, Matthias Rajmann
Kamera: Ingo Kratisch
Schnitt: Meggie Schneider
Produzent: Harun Farocki
Uraufführung: 9.2.2009 (Berlin)
Farbe
ohne Dialog
dt. /engl. Zwischentitel
Laufzeit: 61 min

„Ich will einen Film vorschlagen, der zum Begriff der Arbeit beiträgt. Der die Arbeit in einer traditionalen Gesellschaft, etwa in Afrika, in einer frühindustriellen Gesellschaft, etwa in Indien, und in einer hochindustriellen, in Europa oder Japan, in Vergleich setzt. Verglichen werden soll die Arbeit des Häuserbauens. Häuser zum Wohnen.“ So stand es im Januar 2003 im Exposé zu Harun Farockis Dokumentarfilmprojekt. „Nach ersten Recherchen […] kam ich darauf, den Ziegelstein zum
Vergleichsgegenstand zu nehmen, seine Herstellung und seine Verarbeitung,“ so Farocki. „Wir suchten nach einer großen Varianz von Ziegelsteinverwendungen – und wir suchten nach Produktionsverfahren, die den Ziegelstein möglicherweise aufheben.“ In Indien filmte er in einer Ziegelei, deren Strangmaschine noch aus den 30er Jahren war, als Gandhi den antikolonialen Protest organisierte. Die Anlage in Nordfrankreich aus dem Jahr 1945 wurde von Marokkanern bedient, die in Baracken neben der Ziegelei wie Kriegsgefangene oder Zwangsarbeiter hausten. In Mumbai wurden
Appartement-Hochhäuser kaum anders als in Europa errichtet. Keine Hand kam mit dem Produkt in Berührung in den hochmechanisierten Fabriken in Deutschland. In Burkina Faso verfolgte Farocki die gemeinschaftliche Arbeit an einer Krankenstation und einem Schulgebäude: „Noch nie habe ich
etwas mir so Fremdes aus solcher Nähe betrachten können.“ (1)

Harun Farockis Film, diese Geschichte des Ziegelsteins und des Bauens, spiegelt in seinen Bildern ganze Kulturen. Die kleinste Einheit auf die sich Harun Farockis Film dabei konzentriert, ist der Ziegelstein. Ziegelsteine sind ebenso eine der kleinsten Einheiten des sesshaften Menschen. Anhand des Prozesses ihrer Herstellung und ihrer Verarbeitung spinnt Farocki eine Fabel der Arbeit, ihrer vergesellschafteten Erscheinung und ihrer Entfremdung. Hinter den Herstellungsprozessen in traditionellen Gesellschaften und in hochindustriellen werden unterschiedlichste ökologische und ökonomische Bedingungen und Zustände sichtbar. Der Titel jedoch offenbart schon ein Entscheidendes: Farocki unterbreitet hier ein Angebot, er bietet Material ZUM VERGLEICH. Die filmischen Mittel seines Essays sind zurückgenommen, ohne Kommentar folgt Kapitel auf Kapitel, die sie verbindenden Zwischentitel geben Auskunft über Orte und Bauweisen, ein Mehr an Erklärungen gibt es nicht. Die Konzentration liegt ganz auf konkreten Bildern von Arbeit, deren ruhiger Fluss dem Zuschauer Raum eröffnet – für die eigene Endeckung mit dem Auge.


1 Berlinale/Forum 2009