Solo für Licht

Solo für Licht — Satanstango

28.März bis 25.Mai 2008 in Leipzig

 

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Sonntag 13.04.08 Uhrzeit 16.00 Uhr - naTo

Satanstango

Originaltitel SÁTÁNTANGÓ
Land Ungarn / BRD / Schweiz 1991-1993
Regie Béla Tarr
Drehbuch Béla Tarr (nach einer Erzählung von László Krasznahorkai)
Kamera Gábor Medvigy
Originalmusik Mihály Vig
Schnitt Ágnes Hranitzky
Darsteller Mihály Vig, Putyi Horváth, László Lugossy, Éva Almássy Albert, János Derzsi, Irén Szajki
Produktion Mafilm
Premiere 1994
Farbe Schwarzweiß
Sprache Ungarisch
Laufzeit 450 min (mit zwei Pausen)
Eintritt € 10,-/8,- (inklusive kleinem Imbiss in den Pausen)


SÁTÁNTANGÓ ist eine kinematografische Apokalypse, eine grandiose Reise in die Finsternis, in der sich Verfall, endlose Monotonie und das Scheitern aller Hoffnung vereinen. Er spielt in der ungarischen Tiefebene, wo alles waagerecht ist, wo menschliche Siedlungen unendlich weit voneinander entfernt liegen. Und zugleich ist es das überragende Hauptwerk Bela Tarrs.

"Die Protagonisten ... leben auf einer stillgelegten landwirtschaftlichen Maschinenstation. In dumpfer Untätigkeit gehen ihre Tage vorbei. Jeder versucht, den anderen zu betrügen. Die meisten trinken - und wie: Es gibt eine Kneipenszene, deren großartige Dissonanz und finstere Verzweiflung einfach unglaublich ist. Ein Betrunkener lallt immer die gleichen Sätze, sinnlos bedrängt jemand die Frau, mit der er tanzt, sie wehrt ihn ab, um ihn dann wieder ranzulassen, sinnlos schlagen sich welche; betrunken liegt jemand auf einer Bank und lässt die Tanzenden ab und an über sein ausgestrecktes Bein fallen. Ein kleines Mädchen mit abstehenden Ohren quält Katzen, bevor sie sich umbringt. Ein dicker Doktor starrt durch ein Fenster auf das immergleiche Leben und schreibt auf, was geschieht. Das Aufschreiben ist seine verzweifelte Form der Welt- und Selbstvergewisserung. Ununterbrochen trinkt er dabei aus einer riesigen Korbflasche und raucht und geht erst hinaus - nach Tagen - wenn der Schnaps alle ist. Über schlammige Wege schwankt er gen Abend. Später kippt er um und bleibt liegen. Wie ein Stück Vieh wird er am nächsten Morgen ins Krankenhaus gekarrt.
Eigentlich wollen die Einwohner fliehen, doch die graue Depression hat ihnen jede Entschlusskraft geraubt. So warten sie auf den Retter. ..." (1)

Für diese Menschen sind alle Werte, an die sie ihren Lebensinhalt knüpfen könnten, längst aufgehoben; alles hat sich in der Zeit aufgelöst im periodischen Wechsel der Jahrhunderte - allmählich sind auch die Menschen in Verwesung übergegangen. Gefangen in ihrem Alltag, wissen sie nicht mehr weiter, verzehren sie sich nach einem neuen Leben, in das sie mit blinder Verzweiflung aufbrechen wollen. In einer düsteren Kaschemme warten sie auf ihren Retter, ihren Erlöser Irimiás. Das siebenstündige Werk ist eine ästhetische Entdeckungsreise in Zeit und Wahrnehmung, eine Phänomenologie der Lethargie und des Verfalls. (2) "Geschichten sind zu Gemeinplätzen geworden, sie haben sich in sich selbst aufgelöst. Das einzig Reale ist wahrscheinlich die Zeit. Die Jahre, die Tage, die Minuten, die Sekunden. Sie sind das einzige Maß aller Dinge." (3)

Béla Tarr verzichtet in seinen großartig trostlosen Bildern auf jegliche Koketterie. Symbole sind selten. In den siebeneinhalb Stunden von SATANSTANGO sind die eigenen Gedanken oft woanders: Man vergisst sich, die Zeit und alle Worte, denkt an tote Freunde; meditiert über trostlose Räume und vergilbte Küchengardinen und nimmt sich vor, irgendwann einmal ein aufmerksameres Leben zu führen. Das dachte ich vor zehn Jahren, als ich den Film zum ersten Mal sah. Und László Krasznahorkai, nach dessen gleichnamigen Roman der Film entstanden ist, sagte: "Unsere einzige Aufgabe besteht darin, die Distanz zwischen dem Film und unserer Verzweiflung zu erhalten." (4)

1 Detlef Kuhlbrodt
2 Sarunas Bartas
3 Béla Tarr
4 Detlef Kuhlbrodt